
Urteil in Stuttgart: Lebenslange Haft für Mann wegen Kriegsverbrechen in Syrien

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat einen 33-jährigen Syrer wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im syrischen Bürgerkrieg zu lebenslanger Haft verurteilt. Der heute 33-Jährige schloss sich nach Gerichtsangaben vom Dienstag 2011 als Anführer einer bewaffneten schiitischen Miliz der Hisbollah an, die im syrischen Bürgerkrieg auf der Seite der Staatsführung von Machthaber Baschar al-Assad kämpfte.
Hintergrund der vorgeworfenen Taten war die gewaltsame Zerschlagung von Protesten in Syrien durch die syrischen Sicherheitsbehörden ab April 2011. Nach der Anordnung der Regierung unter Assad, die Protestbewegung gewaltsam im Keim zu ersticken, wurden tausende Menschen festgenommen, gefoltert und teilweise getötet.
Nach den Urteilsfeststellungen schloss sich der Angeklagte in Syrien kurz nach Beginn der Unruhen 2011 in seiner Heimatstadt Busra Al Sham, einer Kleinstadt im Süden von Syrien, einer örtlichen schiitischen Miliz an, die von der Hisbollah unterstützt wurde.
Ziele der von ihm geführten Miliz waren laut den Feststellungen die Einschüchterung und Vertreibung der sunnitischen Bevölkerung in der von der Assad-Regierung kontrollierten Stadt. Um das zu erreichen, terrorisierte die Miliz die sunnitische Bevölkerung mit brutalen Misshandlungen bis hin zu Tötungen.
Der Angeklagte überfiel demnach im August 2012 mit weiteren Kämpfern seiner Miliz eine sunnitische Familie in deren Haus. Eines der Opfer, ein 21-jähriger unbewaffneter Student, wurde von einem der Milizionäre während des Angriffs erschossen. Anschließend plünderte und zerstörte die Miliz das Haus.
Bei einer weiteren Tat nahm der Angeklagte im April 2013 einen damals 27-jährigen Sunniten fest und übergab ihn mit zwei weiteren, auf der Straße festgenommenen jungen Männern dem Militärgeheimdienst. Die drei Männer wurden während der einstündigen Fahrt in ein Gefängnis von dem Angeklagten und den Milizionären mit Kalaschnikows geschlagen und nach Übergabe an die Geheimdienstmitarbeiter durch diese gefoltert.
Sie blieben unter katastrophalen Bedingungen in verschiedenen Haftanstalten inhaftiert. Der 27-Jährige gelangte erst nach 46 Tagen wieder in Freiheit.
Der Angeklagte und seine Milizionäre trieben im Jahr 2014 bei einem weiteren Übergriff einen 40-jährigen sunnitischen Warenhändler mit seiner Familie in einen Innenhof, durchsuchten sein Haus und stahlen Geld und Gold. Der 41-Jährige wurde festgenommen und nach 24 Stunden Folter gehunfähig auf die Straße geworfen.
Nach den Urteilsfeststellungen führte der Angeklagte jedenfalls bei den Taten im April 2013 und im Jahr 2014 die aus fünf bis acht Milizionäre bestehende Gruppe an.
Das Urteil fiel am Dienstag nach 42 Prozesstagen. Während des seit Mitte Oktober laufenden Verfahrens wurden 30 überwiegend aus Syrien stammende Zeugen vernommen, die aus zahlreichen Ländern anreisten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann noch angefochten werden.
X.Eom--SG