Merz sagt Israel bei Antrittsbesuch Unterstützung zu - sieht aber auch Differenzen
Bei seinem Antrittsbesuch in Israel hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) politische Differenzen deutlich gemacht – aber auch die Verlässlichkeit der deutschen Unterstützung bekräftigt. "Es bleibt der unveränderliche Wesenskern der Politik der Bundesrepublik Deutschland, an der Seite dieses Landes zu stehen", sagte Merz am späten Samstagabend bei einem Treffen mit Präsident Isaac Herzog in Jerusalem. Für Sonntag ist ein Treffen des Kanzlers mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geplant.
Er komme "zu einem Zeitpunkt nach Israel, der komplizierter kaum sein könnte", sagte Merz weiter. Er distanzierte sich von Israels Militäreinsatz im Gazastreifen und warb für eine Umkehr von Israels Politik hin zu einer Zweistaatenlösung, also der Gründung eines eigenen Palästinenserstaates, der friedlich mit Israel koexistiert.
Der Kanzler hob hervor, dass das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza uns "vor einige Dilemmata" gestellt habe. Seine Regierung habe "darauf reagiert", fügte er hinzu - offenbar in Anspielung auf das von ihm im August verhängte vorübergehende Teil-Waffenembargo gegen Israel.
Dies ändere aber nichts an der großen Einigkeit zwischen beiden Ländern: "Wir haben aber auch gesehen, dass wir bis heute im Grundsatz keinerlei Differenzen haben", sagte Merz. "Israel hat das Recht, sich selbst zu verteidigen", betone er. "Wir werden Israel dabei immer unterstützen."
Der Kanzler äußerte bei dem Treffen mit dem israelischen Präsidenten die Hoffnung auf weitere Fortschritte im Gaza-Friedensprozess. Das von den USA vermittelte Waffenruheabkommen müsse nun in seine zweite Phase treten, die auch die Entwaffnung der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas vorsieht. "Denn dieser Krieg ging ausschließlich von der Hamas aus - und wenn die Hamas ihre Waffen niederlegt, ist dieser Krieg beendet", sagte Merz.
Mit seinem Werben für eine Zweistaatenlösung machte der Kanzler aber auch Differenzen zur aktuellen Politik der israelischen Regierung klar, denn die rechtsgerichtete Regierung Netanjahus lehnt die Einrichtung eines palästinensischen Staates ab.
Deutschland mache sich stark dafür, dass am Ende eines Verhandlungsprozesses "ein gutes Miteinander in einer Zweistaatenlösung" stehe, damit Israel, die Palästinenser und die arabische Welt "in Frieden und in Freiheit und in Würde leben" könnten, sagte Merz.
Bereits am Samstagnachmittag hatte der Kanzler nach einem Treffen mit Jordaniens König Abdullah II. in der jordanischen Hafenstadt Akaba seine Erwartungen auch an die israelische Seite deutlich gemacht. Für eine "neue Ordnung" im Nahen Osten müsse der "Weg zur palästinensischen Staatlichkeit offengehalten" werden.
Scharf wies der Kanzler dabei Überlegungen zu einer Annexion des von Israel besetzten palästinensischen Westjordanlands zurück, wie sie von ultrarechten Teilen der israelischen Regierung angestellt werden. Es dürfe "keine Annexionsschritte im Westjordanland geben - keine formellen, aber auch keine politischen, baulichen, faktischen oder sonstigen Maßnahmen, die in ihrer Wirkung auf eine Annexion der Region hinauslaufen", sagte Merz.
Er rief die israelische Regierung dazu auf, mehr humanitäre Hilfe für die Not leidende Bevölkerung im Gazastreifen zu ermöglichen. "Vor dem Winter braucht es mehr humanitäre Hilfe, bessere Zugänge für diese Hilfe und einen Einstieg in den Wiederaufbau". Dem "Terror der Hamas" müsse der Boden entzogen werden – und dafür brauche es eine "spürbare“ Verbesserung der humanitären Lage.
Die deutsch-israelischen Beziehungen hatten in den Monaten vor dem Besuch des Kanzlers eine schwierige Phase durchlaufen. Merz hatte das aggressive Vorgehen der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen kritisiert und den Export von Waffen nach Israel im August stark begrenzt. Die israelische Regierung hatte darauf mit großer Verärgerung reagiert.
Das Teil-Embargo lief Ende November aus – zur Erleichterung von Israels Regierung. Nach dem Auslaufen "geht es aufwärts mit den Beziehungen", erklärte der israelische Außenminister Gideon Saar am Samstag zur Ankunft von Merz. "Der Kanzler ist ein Freund Israels, und Deutschland ist ein wichtiger Partner", schrieb Saar im Onlinedienst X.
Bei seinem Treffen mit Netanjahu am Sonntag will Merz nach eigenen Angaben auch für eine Umsetzung der Zweistaatenlösung werben. Ferner will der Kanzler die angespannte Lage im Westjordanland zur Sprache bringen.
Vor dem Treffen mit Netanjahu will Merz am Morgen zunächst die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besuchen. Zum Abschluss seines Israel-Besuchs will der Kanzler dann mit ehemaligen Geiseln der Hamas und mit Angehörigen getöteter Geiseln zusammentreffen, ehe er nach Berlin zurückfliegt.
G.Cho--SG