
Frankreichs Präsident Macron zunehmend unter Druck: Ex-Premier fordert Rücktritt

In der Regierungskrise in Frankreich gerät Präsident Emmanuel Macron auch im eigenen Lager immer stärker unter Druck. Während der zurückgetretene Premierminister Sébastien Lecornu am Dienstag in Macrons Auftrag noch einmal nach einem Kompromiss in letzter Minute für eine Regierungsbildung suchte, forderte ein früherer Premierminister Macrons erstmals öffentlich dessen Rücktritt.
Edouard Philippe, Chef der von ihm gegründeten Partei Horizonte, rief Macron dazu auf, nach der Verabschiedung eines Haushalts "vorgezogene Präsidentschaftswahlen" auszurufen. "Die Lösung der Krise liegt bei ihm", betonte Philippe im Sender RTL. "In einer Situation, in der die Autorität des Staates so sehr in Frage gestellt wird, muss (der Präsident) eine Entscheidung treffen, die seinem Amt gerecht wird", sagte der Mitte-Rechts-Politiker, der bei den kommenden Präsidentschaftswahlen selbst kandidieren will. Dies ermögliche Macron "einen geordneten Abgang". Regulär würden die nächsten Präsidentschaftswahlen 2027 stattfinden. Macron, der in den Umfragen derzeit schlecht abschneidet, kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.
Der Fraktionschef der Präsidentenpartei Renaissance, Gabriel Attal, distanzierte sich von dem Rücktrittsaufruf. Einen demokratisch gewählten Präsidenten zum Rücktritt zu bewegen, "würde das demokratische Gleichgewicht gefährden", sagte er. Am Vortag war Attal allerdings selbst auf Distanz zu seinem politischen Ziehvater Macron gegangen und hatte betont, dass er dessen Entscheidungen "nicht mehr verstehe". Er habe den Eindruck, dass dieser sich "an sein Amt klammere", hatte er hinzugefügt.
Beide ehemaligen Premierminister nahmen am Dienstag an Beratungen mit Lecornu teil, der von Macron bis Mittwochabend Zeit bekommen hat, Grundzüge eines Regierungsprogramms zu entwerfen. Der Minimalkonsens im Regierungslager umfasse die Verabschiedung des Haushalts und die Zukunft des Überseegebiets Neukaledonien, teilte Lecornu mit, der nur noch geschäftsführend im Amt ist. Bei beiden Themen gebe es einen "gemeinsamen Willen, eine schnelle Lösung zu finden", betonte er. Warum Neukaledonien plötzlich diese Aufmerksamkeit erfuhr, wurde nicht näher erklärt.
Lecornu wollte am Nachmittag und am Mittwoch erneut auch mit Vertretern der Oppositionsparteien zusammentreffen. Die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen und ihr Parteichef Jordan Bardella schlugen die Gesprächseinladung allerdings aus. Diese Verhandlungen dienten "nicht den Interessen der Franzosen, sondern denen des Präsidenten", betonte die Partei Rassemblement National, die ihre Forderung nach Neuwahlen bekräftigte.
Das linksgrüne Lager beriet seinerseits am Dienstag über die Folgen der anhaltenden Regierungskrise. Von einer gemeinsamen Position ist das ehemalige Wahlbündnis jedoch weit entfernt: Da die Sozialisten ein Treffen mit den Linkspopulisten ablehnten, wurden zwei verschiedene Gesprächsrunden angesetzt.
Während die Linkspopulisten sowohl Neuwahlen als auch die Absetzung des Präsidenten fordern, hoffen Sozialisten und Grüne noch darauf, dass Macron einen Premierminister aus ihren Reihen ernennen könnte. "Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, zusammen unser Programm durchzusetzen", heißt es in einem Aufruf der Linkspopulisten und Grünen.
Macron hatte am Vortag Lecornus Rücktritt angenommen, ihn dann aber damit beauftragt, bis Mittwochabend weiter zu verhandeln, um eine "Grundlage des Handelns und der Stabilität des Landes" zu definieren. Falls Lecornu damit scheitere, wolle Macron "sich seiner Verantwortung stellen", hieß es im Umfeld des Präsidenten. Was genau damit gemeint ist, blieb offen.
Dies umfasse "zahlreiche Möglichkeiten", hieß es lediglich. Bislang hatte Macron immer betont, dass er sein Mandat bis zum Ende ausüben wolle. Es scheint jedoch nicht ausgeschlossen, dass es erneut zu einer Neuwahl des Parlaments kommt - was Macron bisher ebenfalls abgelehnt hat.
Bei der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 hatte das Regierungslager seine relative Mehrheit verloren. Seitdem ist die Nationalversammlung in drei zerstrittene Blöcke gespalten: das Regierungslager, die Linken sowie die Rechtspopulisten. Diese Spaltung hat die Verabschiedung des nötigen Sparhaushalts für 2026 bislang verhindert.
A.Uhm--SG