
Trotz Wahlniederlage: Japans Regierungschef Ishiba will im Amt bleiben

Trotz einer deutlichen Wahlniederlage will Japans Regierungschef Shigeru Ishiba im Amt bleiben. Er sei in der "Verantwortung", einen politischen Stillstand zu verhindern, begründete der konservative Politiker am Montag seine Entscheidung. Seine Regierungskoalition hatte zuvor die Mehrheit im Oberhaus verloren. Ishiba ist damit der erste Ministerpräsident seit dem Zweiten Weltkrieg, der ohne eine Mehrheit in beiden Parlamentskammern, dem Unter- und Oberhaus, regiert.
Er sei sich der "großen Verantwortung" für die Wahlniederlage bewusst, sagte Ishiba auf einer Pressekonferenz. Aber "Veränderungen im äußeren Umfeld wie die internationale Lage oder Naturkatastrophen können nicht auf eine Verbesserung der politischen Situation warten", fügte er hinzu. Deshalb wolle er im Amt bleiben. Zugleich verwies er darauf, dass seine Partei zwar die Mehrheit im Oberhaus verloren, aber trotzdem noch die meisten Sitze inne habe.
Ishibas konservative Regierungspartei LDP und ihr Koalitionspartner Komeito hatten am Sonntag nur 47 von 125 zur Wahl stehenden Sitzen im Oberhaus errungen. Dabei erzielte die LDP mit 39 Sitzen ihr schlechtestes Ergebnis seit 15 Jahren. Komeito kam auf acht Sitze. Um ihre Mehrheit zu verteidigen, hätte Ishibas Koalition bei der Wahl mindestens 50 Sitze gewinnen müssen.
Die linksgerichtete KDP erzielte mit 22 Sitzen das zweitbeste Ergebnis der Wahl. Die rechtsgerichtete DVP kam auf 17 Sitze. Stark zulegen konnte außerdem die rechtspopulistische Anti-Einwanderungs-Partei Sanseito, die bislang nur mit zwei Abgeordneten im Oberhaus vertreten war. Sie kam nun auf 14 Mandate.
Bleibt die Koalition im Amt, braucht Ishiba ab sofort für jede Parlamentsentscheidung auch Stimmen aus der Opposition. Diese ist sehr zersplittert. Die Chancen, dass die Oppositionsparteien eine andere Regierung bilden können, seien sehr gering, sagte Politikprofessor Hidehiro Yamamoto der Nachrichtenagentur AFP.
Ishibas LDP, die Japan seit 1955 fast ununterbrochen regiert, hatte bereits im Oktober die Mehrheit im Unterhaus eingebüßt. Die Partei ist durch einen Korruptionsskandal geschwächt, der Ishibas Vorgänger Fumio Kishida zum Rücktritt gezwungen hatte. Daraufhin kam der 68-jährige Ex-Verteidigungsminister Ishiba im Oktober an die Spitze der Regierung, allerdings erst nach mehreren Anläufen.
Ishiba rief danach sofort Neuwahlen aus, um sich Rückhalt für seinen Reformkurs zu sichern. Doch bei der Unterhaus-Wahl kurz danach verlor seine Koalition die Mehrheit, so dass er seither auf kleinere Koalitionspartner angewiesen ist und seine Agenda dadurch behindert wurde. Nun ist auch noch die Mehrheit im Oberhaus dahin.
Die Regierung bekommt auch zunehmend den Unmut in der Bevölkerung angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten zu spüren. Auch der Handelsstreit mit den USA ist nicht gelöst - ab dem 1. August drohen Japan Strafzölle in Höhe von 25 Prozent. Am Montag trat der japanische Zoll-Beauftragte Ryosei Akazawa seine achte Reise in die USA an.
Die Wahlergebnisse beeinflussten seinen Besuch und die Gespräche in Washington nicht, sagte Akazawa vor seinem Abflug am Flughafen in Tokio. Die nationalen Interessen Japans seien nach wie vor die "höchste Priorität".
Ishibas Ankündigung, im Amt zu bleiben, sorgt Analysen zufolge zunächst für Stabilität. Nach Ishibas Entscheidung gewann der Yen gegenüber dem Dollar an Wert.
Von dem Unmut in der Bevölkerung konnte offenbar die rechtspopulistische Sanseito profitieren. Die Partei fordert eine stärkere Begrenzung der Einwanderung und stellt sich unter anderem gegen "Globalismus" und gegen "verbissene Genderpolitik". Zuletzt musste sie sich gegen den Vorwurf verteidigen, enge Verbindungen zu Moskau zu haben.
Q.Oh--SG